Aus dunkler Vergangenheit

Eine Ausstellung des thüringischen Staatsarchivs über Luxemburger in der Polizei des NS-Staates

wort.lu

(str) - Am Wochenende wird im Geschichtsmuseum der Stadt Diekirch eine Ausstellung zur Luxemburger „Fräiwellegekompanie“ eröffnet – ein Aspekt der Landesgeschichte, der auch heute noch immer zu hitzigen Diskussionen führt.

Es ist ein Kontext, der nach wie vor explosiv bleibt: Während das Schicksal und der Heldenmut jener mehr als 11 000 Luxemburger, die im Zweiten Weltkrieg vom deutschen Besatzer zwangsrekrutiert wurden, über Jahrzehnte hinweg hochgehalten wurde, war der Umgang mit jenen Luxemburgern, die in der Polizei des NS-Staates dienten, oftmals schwieriger. Das mag Gründe haben, aber viele der Vorbehalte begründen auf Missverständnissen.

Es gab in der Vergangenheit Bemühungen um Aufklärung, so etwa durch die Sammelbände von Louis Jacoby und René Trauffler in den 1980er-Jahren sowie durch die Publikationen des Historikers Paul Dostert im Jahr 2000.

Doch, dass das Thema nun wieder einen Aktualitätsbezug hat, ist auf eine Initiative aus Deutschland zurückzuführen: Im Zusammenhang mit den Gedenkfeierlichkeiten zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald 70 Jahre zuvor, hatte das Landesarchiv Thüringen im Jahr 2015 eine Ausstellung unter dem Titel „Luxemburger in der Polizei des NS-Staates“ organisiert, über den „opferreichen Weg“ der Luxemburger Freiwilligenkompanie im Zweiten Weltkrieg „zwischen Täterschaft und Teilnahme an Verbrechen, Kollaboration, Desertion und Widerstand“.  


Diese Ausstellung soll im Februar nun auf Initiative des Luxemburger Polizeimuseums auch im Großherzogtum gezeigt werden. Man erhoffe sich, damit den Anstoß zu geben, damit Historiker sich auf professioneller Ebene mit diesem Aspekt der Landesgeschichte befassen, sagt Camille Diener. Der Polizeibeamte, der sich in seiner Freizeit beim Militärmuseum in Diekirch und beim Polizeimuseum engagiert, hatte bereits an den Recherchen zur Ausstellung in Thüringen teilgenommen.

Die gezwungenen Freiwilligen

„Eines der größten Missverständnisse aus heutiger Sicht ergibt sich bereits aus der Bezeichnung des Luxemburger Verbands“, sagt er. „Der Name ,Freiwilligenkompanie’ bedeutet keineswegs, dass sich es dabei um ein Korps handelte, das sich freiwillig in den Dienst des Nationalsozialismus stellte.“ Die Luxemburger Armee sei in der Folge der Londoner Verträge schlicht eine Freiwilligenarmee gewesen, die seit 1881 „Corps des gendarmes et volontaires“ genannt wurde. Für Anwärter bei Gendarmerie, Polizei und Zoll aber auch für andere Berufe im Staatsdienst war der mehrjährige Armeedienst in diesem Korps eine Grundvoraussetzung.

Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 in Luxemburg einmarschierte, blieben die damals knapp 400 Soldaten auf Befehl in ihren Kasernen. Nachdem der Besatzer die Verwaltung übernommen hatte, wurde entschieden, diese Soldaten ab Dezember 1940 in Weimar für den Polizeidienst auszubilden. „Dabei wurde ihnen versprochen, dass sie nach ihrer Umschulung in Luxemburg eingesetzt würden, doch das war von Anfang an nie der Plan“, führt Camille Diener aus.

Sympathisanten des NS-Regimes?

Zudem waren im November 1940, also sechs Monate nach dem Einmarsch noch weitere Mitglieder rekrutiert worden. „Dabei handelte es sich um jene Männer, die auf der Warteliste standen“, sagt Camille Diener. „Warum diese Liste nicht zerstört worden war, ist eine der Fragen, denen man auf den Grund gehen sollte. Auch damit, ob sich unter diesen Männern vielleicht auch Sympathisanten des NS-Regimes befanden, sollte man sich befassen.“

Frei nach dem „Teile und herrsche“-Prinzip habe man gleich zu Beginn bei der Ausbildung in Deutschland die Offiziere von den Soldaten getrennt. Während die Luxemburger wegen ihrer Disziplin eigentlich hohes Ansehen genossen, gab es immer wieder folgenreiche Zwischenfälle. „So etwa als am Luxemburger Nationalfeiertag, damals noch am 23. Januar, das große Portraitbild Adolf Hitlers in der Kaserne durch einen unglücklichen Zufall schwungvoll auf dem Boden landete“, meint Camille Diener. Schwerwiegende Repressalien habe es aber vor allem gegeben, als die Luxemburger nach Abschluss der Ausbildung den Führereid verweigert hätten.

Anstatt wie zuvor versprochen, konnten die Luxemburger im Anschluss an ihre Schulung nicht in ihre Heimat zurückkehren. Sie wurden in kleinen Gruppen von rund 20 Mann quer durch das Deutsche Reich verteilt. „Damit fand auch der Gehorsam ein jähes Ende und immer wieder gerieten die Luxemburger wegen Befehlsverweigerung ins Visier der Nazis“, erklärt Camille Diener. „Viele beteiligten sich auch an Sabotageakten oder desertierten.“

Die Bilanz ist erschreckend. Von 425 Mann endeten 264 in Gefängnissen und in Konzentrationslagern – etwa in Buchenwald und Sachsenhausen. 48 Mitglieder der Freiwilligenkompanie bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben.

Kriegsverbrechen in Polen

„Und auch die Situation jener, die nicht so aktiv Widerstand geleistet haben, muss man nachvollziehen können“, betont Camille Diener. „Denn die Familien dieser durchschnittlich 21 oder 22 Jahre alten Männer waren in der Heimat als regelrechte Geiseln der deutschen Willkür ausgesetzt.“ Für Zuwiderhandlungen und Verweigerungen wurden oft die Familien in der Heimat zur Rechenschaft gezogen.

„Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille“, betont Camille Diener. So waren auch Luxemburger mehreren berüchtigten deutschen Polizeibataillonen zugeteilt worden, etwa dem Hamburger Polizeibataillon 101, aber auch dem 42., 65., 104. oder 181., welche für Massenerschießungen und andere Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden.

„Hier muss noch sehr viel Geschichte aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, unterstreicht Camille Diener. „Heute gibt es eine weitaus größere Bereitschaft, sich mit den vielleicht etwas weniger glorreichen Aspekten der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das ist sehr wichtig.“

Darüber hinaus müsse aber auch in Zukunft, das Andenken an den Heldenmut der Anderen, der großen Mehrheit der Mitglieder der Freiwilligenkompanie, gewahrt werden. „Mit unserer Ausstellung, die seit ihrer Premiere im Jahr 2015 noch deutlich erweitert wurde, wollen wir unseren Beitrag zu beidem leisten“, bekräftigt Camille Diener.

Vernissage am Sonntag

Die Ausstellung „Luxemburger in der Polizei des NS-Staates“ wird vom 4. bis zum 25. Februar im Geschichtsmuseum der Stadt Diekirch (13, rue du Curé) gezeigt. Die Eröffnung erfolgt am Sonntag um 17 Uhr im Beisein des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. 
Der Eintritt ist frei. Geführte 
Besichtigungen auf Anfrage.
www.mhsd.lu
www.policemusee.lu

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