Flüchtlinge wollen arbeiten … Aber wo?
Die Integration in den Arbeitsmarkt ist für Flüchtlinge oft schwer. In Luxemburg gibt es nur wenige Erfolgsgeschichten.
Gegenwärtig sind in Luxemburg 438 Flüchtlinge beim Arbeitsamt eingeschrieben. Dennoch stellen sich mehrere Probleme: 65 Prozent von ihnen haben beispielsweise kein Diplom. Zudem hapert es oft an den Sprachkenntnissen. Hinzu kommt, dass nur wenige Arbeitgeber den Schutzsuchenden einen festen Arbeitsplatz in Aussicht stellen. Auch die mangelnde finanzielle Unterstützung der Regierung bleibt unter Arbeitgebern ein Thema.
Mustafa ist 27 und gelernter Topograf. Der Iraker konnte es nicht fassen, als ihm ein Arbeitgeber vor Kurzem ein Praktikum in seinem Kompetenzbereich anbot. “Seit meinen 16 Monaten in Luxemburg habe ich bereits mehrere Praktika gemacht, doch konnte ich bisher nie in dem Bereich arbeiten, der meiner Berufserfahrung entspricht”, berichtet Mustafa.
“Endlich kann ich wieder den Job machen, den ich kann und gerne mache.”
Anders erging es Hasanain, der vom Wohlbeobachter im Irak zum Frisör in Luxemburg wurde. Hasanain war es im Irak gewohnt, für seine Arbeit sein Leben aufs Spiel zu setzten. Dort setzte er sich immer wieder für Demokratie, Gerechtigkeit und eine sekuläre Gesellschaft ein.
In Luxemburg geht er neue Arbeitswege. Er empfand es als wahren Glücksfall, ein fünfwöchiges Praktikum bei einem Frisör machen zu können. „Das Praktikum hat mein Leben verändert. Endlich konnte ich wieder produktiv sein. Davor fühlte ich mich so unproduktiv“, so Hasanain. Die Arbeit als Frisör mochte er sehr. „Ich habe sehr viel gelernt. Der Austausch mit den Arbeitskollegen und den Kunden hat mir sehr gut getan. Ich hatte wieder einen geregelten Tagesablauf.“
Aus dem Praktikum ergab sich für ihn allerdings kein Arbeitskontrakt.
Nun wartet Hasanain und hofft, bald wieder arbeiten zu können. In der Zwischenzeit verbessert er seine Englisch- und Französischkentnisse, um so seine Einstellungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Gespräch mit Tom Trummer, CEO von Ryanhair
Tom Trummer beschäftigt in seinen Geschäften rund um Haar, Bart und Schönheit in Luxemburg fast 140 Mitarbeiter. Für seine 16 Ryanhair-Salons im Land sucht der Unternehmer ständig neue Mitarbeiter. Auch Flüchtlinge würde er gerne einstellen, doch gibt es mehrere Hürden, die den Schutzsuchenden den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren.
„In Ettelbrück hatte ich über die Caritas einen Frisör kennengelernt und hatte mir überlegt, ihn einzustellen. Allerdings musste ich diesbezüglich mit einigen Schwierigkeiten kämpfen.“
Laut Tom Trummer reiche die Berufsqualifikation nämlich nicht aus; Sprachkenntnisse seien genauso wichtig. „Unser Unternehmen hat beim Arbeitsamt nachgefragt, ob wir etwa für Sprachkurse oder Ausbildung eine Unterstützung bekommen könnten, weil wir den potenziell Auszubildenden nicht von Anfang an als vollwertigen Frisör einstellen können. Das war allerdings nicht möglich“, bedauert Tom Trummer.
„Als Arbeitgeber muss ich zur Ausbildung, sowie der Verbesserung der Sprachkenntnisse beitragen. Nebenbei muss ich dem Flüchtling das hausinterne Konzept näher bringen. Das kostet Zeit, und vor allem Geld. Gleichzeitig muss ich den Flüchtling als ,normalen‘ Arbeitnehmer bezahlen. Das ist nicht logisch“, findet Tom Trummer, der eine verstärkte gegenseitige Hilfe der Regierung oder des Arbeitsamtes verlangt. „Immerhin möchten wir die Flüchtlinge langfristig beschäftigen“.
Eine passende Unterstützung für Firmen und ein richtiger Ansprechpartner wären demnach willkommen, meint der Unternehmer, der durchschnittlich zwischen 15 und 20 Lehrlinge pro Jahr aufnimmt.
Waleed ist 27 und arbeitete im Irak als Militärpilot. “Ich suche immer noch nach einer Arbeit. Es ist sehr schwer”, erzählt er. Ende 2016 hat Luxemburg ihm offiziell das Flüchtlingsstatut anerkannt, das für eine Einschreibung bei der ADEM unumgänglich ist.
In Luxemburg hat Waleed sich bereits mehrfach um eine Arbeit bemüht. “Ich habe mich bei der Polizei beworben und habe auch schon an die Luxemburger Armee gedacht. Allerdings hat man mir gesagt, dass ich dafür die Luxemburger Nationalität bräuchte. Zudem sind die Aufnahmeprüfungen andscheinend ziemlich schwer”, berichtet Waleed.
Regelmäßig begibt er sich jetzt zur ADEM und belegt weiterhin Sprachenkurse. Vor allem Französisch sollen Flüchtlinge lernen, um ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Waleeds französisch ist mittlerweile recht gut.
Gespräch mit Karine Thil, Partnerin bei Deloitte
„Nach einem sechswöchigen Praktikum haben wir einen syrischen Arbeitskollegen unbefristet eingestellt. Er wurde auf Basis seines Könnens und seiner passenden Berufserfahrung als Buchhalter ausgewählt. Wenn wir ihm dabei gleichzeitig helfen können, hier in Luxemburg Fuß zu fassen, freut uns das natürlich umso mehr“, sagt Karine Thil, „Corporate & Accounting“-Partnerin bei Deloitte Luxemburg.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist ständig auf der Suche nach neuen, talentierten Mitarbeitern. „In unserem multikulturellen Unternehmen, in dem Mitarbeiter aus über 50 Nationen zusammenarbeiten, stehen der Mensch und seine Fähigkeiten im Vordergrund“, sagt Karine Thil.
Ermöglicht wurde das Ganze vor allem dank der Arbeit der ASTI und deren Projektes „Connections“, das Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und die der Firma auf Anfrage relevante Profile übermittelte. Diese wurden dann „ganz neutral und ohne vorherige Ansage ,von Oben‘ den jeweiligen Teamleitern vorgestellt“. „Bisher haben wir noch zwei weiteren Asylsuchenden ein Praktikum angeboten – und wir hoffen, dass wir in Zukunft auch anderen diese Chance geben können.“
Lamia hält ein Masterdiplom im Ingenieurwesen und verfügt über eine zehnjährige Berufserfahrung im Marketing, die ihr auch jüngst in einer von Luxemburgs größten Firmen zugutekam.
„Leider teilte mir die Firma nach meinem Praktikum mit, dass ich für den zu besetzenden Posten überqualifiziert sei.” Doch bleibt Lamia optimistisch. “Der Arbeitgeber hat versprochen, sich bei mir zu melden, sobald ein Stellenangebot auf meine Erfahrung passen würde“, berichtet die junge Mutter, die seit eineinhalb Jahren mit ihrem siebenjährigen Sohn in einem Foyer in Luxemburg lebt.
„Es wäre mir sehr wichtig, eine Arbeit und eine Wohnung zu haben und finanziell unabhängig zu sein“, unterstreicht die Bagdaderin.
Umfragt man sich bei der ADEM oder der ASTI wird klar: Auch eineinhalb Jahre nach dem Anfang der Flüchtlingskrise haben in Luxemburg sehr wenig Schutzsuchende einen festen Arbeitsvertrag. Der 32-jährige Aws ist einer von ihnen.
Im Irak arbeitete der gelernte Ingenieur im Ministerium für Erdöl – eine der angesehensten und bestbezahlten Arbeitsstellen im Land. In Luxemburg arbeitet er seit mehreren Monaten am Projekt „Digital Inclusion“, das von der “Oeuvre nationale de Secours Grande-Duchesse Charlotte” über das Projekt “Mateneen” finanziert wird. Hier repariert er unter anderem Computer, die später anderen Schutzsuchenden zur Verfügung gestellt werden.
„Leider habe ich einen Tag nach dem Unterschrieben meines Arbeitskontrakts eine schlechte Nachricht erhalten. Luxemburg hat mein Asylantrag abgelehnt und ich soll zurück in den Irak“, bedauert Aws.
Die Beratungsgesellschaft PWC setzt seit jeher auf eine starke
Vielfalt. Ob Auslandserfahrungen,
individuell zugeschnittene Fortbildungsangebote oder verschiedene Berufsabschlüsse: Bei PwC sind den Entwicklungsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Firma bereits einen berufserfahrenen Flüchtling eingestellt hat.
„Der neue Kollege hat vor einigen Wochen in der Steuerabteilung angefangen. Von seiner beruflichen und akademischen Laufbahn her ist dies absolut legitim, da er einen Hochschulabschluss in den Bereichen Wirtschaft und Jura besitzt“, sagt Stéphane Rinkin. Der PwC-Partner setzt sich persönlich für die Integration der Flüchtlinge ein, unter anderem über die Organisation „I’m not a refugee“, durch die er diese Person kennengelernt hat.
„Ein Praktikum kam in diesem Fall nicht in Frage. Unser Kollege besitzt zunächst einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag, der in einen unbefristeten Vertrag übergehen kann.”
Für PWC stellte sich die Frage der Sprachkenntnisse nicht. „Unsere Arbeitssprache ist Englisch. Bei uns sind derzeit 58 Nationalitäten vertreten, viele Mitarbeiter sprechen kein Französisch. Das stellt im Umgang mit einer sehr internationalen Kundschaft absolut kein Problem dar.“
Der neue Mitarbeiter wird laut Rinkin eine „Vielfalt der Ansichten und der Erfahrungswerte in die Abteilung mitbringen“, was maßgeblich „zur Qualität unserer Dienstleistungen beiträgt“.
PWC setzt auf die Einzigartigkeit jedes Menschen und schafft so Mehrwert, heißt es. Außerdem könne die Firma als einer der größten Arbeitgeber des Landes „weder gleichgültig noch untätig bleiben“, meint Stéphane Rinkin.
Trotz der vielen Praktika haben in Luxemburg weiterhin sehr wenig Flüchtlinge eine Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz. Oft hapert es an den Sprachenkentnissen oder an der Anerkennung der Diplome. Viele Schutzsuchende besuchen deshalb Kurse an der Universität Luxemburg. Haben sie kein Bleiberecht in Luxemburg, können sie allerdings lediglich als Gasthörer an den Kursen teilnehmen und kein Diplom bekommen.
Die Bilanz ist ernüchternd: „Meines Wissens nach konnte 2016 kein Flüchtling über das Lisko einen Arbeitsvertrag abschließen“, erklärte die Leiterin des „Lëtzebuerger Integratiouns- a Sozialkohäsiounszenter“ (Lisko) im Januar in einem Interview.
Isabelle Schlesser
Sie ist ADEM-Direktorin und erklärt, dass sich in Luxemburg immer wieder Firmen beim Arbeitsamt melden, die ausdrücklich einen Flüchtling einstellen möchten. Dennoch weiß sie, dass es mehrere Hürden zur Jobintegration der Schutzsuchenden gibt.
Wie viele Flüchtlinge sind beim Arbeitsamt angemeldet?
Wie optimistisch sind Sie, was die Jobintegration von Flüchtlingen angeht?
Gibt es für Arbeitgeber eine finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsagentur?